Fallen und Chancen der Nachhaltigkeitskommunikation

Poster Nachhaltigkeitskommunikation

Resultate 1/2022 / Fallen und Chancen der Nachhaltigkeitskommunikation

Fallen und Chancen der Nachhaltigkeitskommunikation

Was macht die Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen so schwierig? Welche Fallen gilt es zu vermeiden und welche Chancen gibt es?

Komplexe Themen wie Klimawandel, Erdüberhitzung oder Zerstörung von Lebensräumen sind nicht immer leicht zu kommunizieren. Denn solche Beiträge müssen einerseits wissenschaftlich fundiert, aber trotzdem ansprechend und leicht verständlich formuliert sein und idealerweise unterschiedliche Zielgruppen erreichen. Im Team von OroVerde – die Tropenwaldstiftung haben wir uns daher gefragt: Was macht eine gute Nachhaltigkeitskommunikation aus? Worauf sollte man achten, welche Fallen gibt es und wie können wir zum Handeln motivieren?

Gerade die heißen Sommer der Jahre 2018 bis 2020 haben in Bezug auf den Klimawandel viele Menschen wachgerüttelt. Überwog anfangs noch der Genuss von „Sonne satt“, machte sich gegen Spätsommer bei vielen Menschen dann doch die Sorge breit, dass es sich tatsächlich um erste Folgen des Klimawandels handeln könnte: Die Flusspegel sanken, die Ernte vertrocknete und plötzlich beherrschten Böschungsbrände die Schlagzeilen. 2021 kamen dann Starkregenereignisse im Ahrtal sowie an Erft, Wupper und der Ruhr hinzu. Der Klimawandel, der zuvor nur bei Eisbären in der Arktis oder in Entwicklungsländern verortet war, fand plötzlich auch in Deutschland statt. Zugleich häuften sich negative Meldungen zum Klimawandel und die Sorge wuchs, ob die Menschheit in der Lage ist, das Problem zu lösen, zumal wir schon in der Pandemiebekämpfung nicht immer glänzen. Die Gefahr, dass sich Resignation und Ohnmacht breitmachen, ist groß, doch Ohnmacht lähmt und führt zu Stillstand – ein Zustand, den wir uns nicht mehr leisten können.

Was also tun?

Die Lage ist ernst. Ernst, aber wie der Weltklimarat sagt, noch immer lösbar. Wir können das 2-Grad-Ziel noch erreichen. Neben der Bedrohungslage sollten wir jedoch nicht die Visionen und Chancen aus den Augen verlieren. Klimaschutz bedeutet ja nicht „zurück in die Steinzeit“. Im Gegenteil: Die Zukunft könnte sehr lebenswert aussehen. Mit autofreien Städten mit viel Grün und Raum, um sich zu treffen. Mit Häusern, die sich selber heizen. Mit einer Wirtschaft, die sich am Gemeinwohl ausrichtet. Mit großflächigen Schutzgebieten, in denen die Bäume nicht nur CO2 binden, sondern auch die Biodiversität des Planeten bewahrt wird – also mit vielen positiven Bildern.

Doch nicht nur den Visionen gilt es mehr Raum zu geben, sondern auch den Lösungen. Klar, manchmal kommen einem die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen winzig vor im Vergleich zu den großen Problemen. Doch Wirksamkeit zu vermitteln, indem man aufzeigt, was viele Einzelne gemeinsam erreichen können, ist einfachste Mathematik. Die Summe unserer klimabewussten Handlungen, vom bewussten Konsum bis zu Entscheidungen an der Wahlurne, ist das Gewicht, das jede:r von uns auf die Waage bringen kann. Fangen wir dabei mit dem an, was besonders viel bewirkt, und arbeiten uns dann bis zum Stand-by-Schalter mit eher geringem Energiespareffekt vor.

Was will ich vermitteln?

Wir alle wissen, dass niemandem geholfen ist, wenn wir mit der Klimakommunikation Widerstand oder Ohnmacht erzeugen. Und doch passiert dies immer wieder, wenn wir durch Fakten über Fakten wachrütteln wollen. Ein Dilemma, das sich nicht auflösen lässt?

Vielleicht doch, nämlich dann, wenn wir berücksichtigen, was wir inzwischen über die Funktionsweise unseres Gehirns wissen. Es ist nämlich nicht für das Faktenlernen, sondern für das Lernen von Regeln und Prinzipien optimiert. Das heißt, unser Gehirn überprüft unbewusst alles Wahrgenommene daraufhin, ob sich Regeln ableiten lassen.

Vorsicht vor Ohnmachtsfallen

Mit diesem Wissen eröffnet sich der Nachhaltigkeitskommunikation eine neue Perspektive. Denn meist legen wir automatisch den Fokus auf das Vermitteln von Wissen, also von Fakten, und überprüfen nicht, was wir damit gleichzeitig mittransportieren. Zeigen wir in einem Artikel zum Beispiel gleich mehrere große Bedrohungen auf – dann erzeugen wir damit die indirekte Botschaft, wir sind von Problemen umzingelt. Ein Gedanke, der nicht selten in die Ohnmachtsfalle führt.

Wenn unser Anliegen jedoch darin besteht, Menschen zu vermitteln, dass wir die Klimaprobleme lösen und die Welt gestalten können, muss ich Lösungswege anbieten und meine Story anders aufbauen. Auch in diesem Fall mache ich zunächst das Problem deutlich, nehme mir dann jedoch Zeit für Beispiele von Menschen, die an Lösungen arbeiten und neue Wege aufzeigen! Wichtig sind dabei mindestens drei Beispiele, denn ab der magischen Drei kann unser Gehirn Regeln und Prinzipien als solche erkennen.

Ziele setzen und herunterbrechen

Ein weiterer Punkt fällt häufig auf: Wenn wir vom 2-Grad-Ziel sprechen, bleiben wir auf einer sehr abstrakten Ebene. Das ist in etwa so, als wenn ein Unternehmen ausruft: „Wir wollen unseren Umsatz verbessern!“ Daraus können Mitarbeitende jedoch keine zielgerichtete Handlung ableiten. Was uns im Berufsalltag vertraut ist, nämlich das Aufstellen von konkreten, erreichbaren Zielen, von Zwischenzielen und Meilensteinen zur Überprüfung des Vorankommens, ist uns im privaten Klimaschutz fremd. Dabei wissen wir doch, dass das Ausmalen konkreter Ziele und das Definieren erster Schritte sehr hilfreich sind, um dort anzukommen, wo man hinwollte. In einer farbenfrohen, lebenswerten Zukunft.

Poster der Nachhaltigkeitskommunikation
Die Tropenwaldstiftung OroVerde hat auf einem Poster 20 Fallen und Chancen der Nachhaltigkeitskommunikation zusammengestellt. Zur besseren Übersichtlichkeit ist das Poster in drei Bereiche gegliedert. Worauf sollte ich bei der Recherche achten? Was sollte man bei der Kommunikation von Fachwissen berücksichtigen und wie gehen wir mit Werten um? Hier geht es um die Art, wie unser Gehirn lernt (Regellernen), um die Macht der Sprache (Framing), um unseren Umgang mit Fehlern, um kognitive Dissonanz oder Dilemmata. Download: https://bit.ly/3B9mh5B

Ideologie statt Wissenschaft
In diese Falle tappen scheinbar immer mehr Menschen. Sie spotten über die „grüne Religion“ und stellen die Klimakrise als Glaubensfrage dar. Wissenschaftler:innen werden diffamiert und „Glauben“ mit wissenschaftlichen Methoden verwechselt. Das 2-Grad-Ziel ist jedoch kein religiöses Gebot, sondern Ergebnis jahrzehntelanger Forschung.

Falsche Fährte
Bei dieser Falle geht es darum, Wissenschaftler:innen unglaubwürdig zu machen und eine falsche Fährte zu legen, wie „die Wissenschaftler wurden gekauft“ oder „das Thema ist doch gar nicht ihr Fachgebiet“. Dabei wird versucht, von der fachlichen Diskussion abzulenken und vom Thema wegzuführen. Denn: Glaubwürdigkeit zu entziehen ist leichter, als wissenschaftliche Studien mit Fakten zu widerlegen.

Birthe Hesebeck leitet bei der Tropenwaldstiftung OroVerde die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung.

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