Nachhaltigkeit und der Intention-Behaviour-Gap

Resultate 1/2022 / Nachhaltigkeit und der Intention-Behaviour-Gap

 

Nachhaltigkeit und der Intention-Behaviour-Gap*

Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung von Prof. Dr. Christoph Harff

Um die Lücke zwischen Denken und Handeln zu schließen, hat die Verhaltensforschung eine Reihe von Techniken entwickelt. Eine davon sind Nudges. Mit ihnen lassen sich Menschen motivieren, richtige Entscheidungen zu treffen, ohne sie zu bevormunden.

Der Erfolg von Strategien zur Lösung von Problemen des Klimawandels, knapper Ressourcen und negativer Umweltauswirkungen hängt zunehmend davon ab, ob Veränderungen im individuellen Verhalten der handelnden Personen erreicht werden können. Die Technologie bietet uns bereits viele Lösungsmöglichkeiten, häufig ist es jedoch der Faktor Mensch, der es schwer macht, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Eine Erklärung liegt darin, dass sich Menschen trotz ihrer Werte und Einstellungen nicht so umweltfreundlich verhalten, wie sie gerne von sich behaupten. Diese Diskrepanz zwischen eigenem Anspruch und tatsächlichem Verhalten wird Intention-Behaviour-Gap genannt. Der Greendex-Bericht aus dem Jahr 2014 zeigt bereits, dass sich Gesellschaften in 18 Ländern der Herausforderung einer globalen Nachhaltigkeit bewusster geworden sind, und 65 Prozent der Befragten sehen menschliche Aktivitäten als Ursache für den Klimawandel. Doch gleichzeitig deuten die steigenden Konsumtrends in der Umfrage darauf hin, dass dieses Bewusstsein nicht zu einem veränderten Verhalten führt. Wenn die Gesellschaft sich des Klimawandels bewusst und in der Lage ist, ihr Verhalten zu ändern, warum fällt es uns so schwer, nachhaltiger zu agieren?

Kognitive Verzerrungen

Die Ursache für dieses Paradoxon sind kognitive Verzerrungen („Bias“) und unsere begrenzte kognitive Kapazität: Umweltfreundliche Aktivitäten erfordern einen höheren kognitiven Aufwand. Diese Anstrengungen nehmen wir nicht immer auf uns – stattdessen entscheiden wir häufig intuitiv und spontan. Zudem haben wir Menschen beim Thema Klimawandel Schwierigkeiten, die Auswirkungen unseres Handelns zu verstehen – auch aufgrund der signifikanten Zeitverzögerungen. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen unserem heutigen Verhalten und dem drohenden Klimakollaps in 30 oder 50 Jahren ist nur sehr schwer herzustellen. Wir glauben daher weiterhin, dass die Probleme von heute oder morgen bei Bedarf schnell gelöst werden können (eine Form der psychologischen Distanz). Den komplexen Angaben von Klimaforschenden können wir nur schwer folgen – zudem sind sie mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Fehlerhafte Wahrscheinlichkeitswahrnehmungen und Extrapolation können wie eine kognitive Barriere wirken. Aus der Komplexität resultiert ein gewisser Angstzustand, der uns dazu bringt, das Thema Klimawandel zu meiden und Veränderungen gar nicht erst anzustoßen. Außerdem können (drohende) Veränderungen, beispielsweise ausgelöst durch eine neue Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen, bei Mitarbeitenden wie Kund:innen mit Verlustängsten (Verlustaversion) und Status-quo- und Besitzdenken einhergehen (Status-quo-Bias, Besitzeffekt).

Angesichts dieser Fülle an Bias kann die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien nur dann gelingen, wenn Menschen bei der Überwindung des Intention-Behaviour-Gaps unterstützt werden. Dank der Erkenntnisse der Verhaltensökonomie wurden in den letzten Jahren immer mehr sogenannte Verhaltensinterventionen eingesetzt, um Menschen bei der Veränderung ihres Verhaltens zu helfen. Verhaltensinterventionen setzen zum Beispiel auf Informationsgestaltung (Framing), öffentliche Selbstverpflichtung (Commitments), soziale Vorbildfunktionen (Social Norms) oder modifizierte Grundeinstellung (Defaults), um Menschen zu reflektierten Entscheidungsprozessen zu „stupsen“. Sogenannte „Nudges“ verändern gezielt unsere Entscheidungsarchitektur, schränken dabei aber die Wahlmöglichkeiten der Betroffenen grundsätzlich nicht ein und bieten in der Regel auch keine finanziellen Anreize zu Verhaltensänderungen.

Nudges helfen, den Intention-Behaviour-Gap zu schließen

Beispiele zeigen das große Potenzial von Nudges im Hinblick auf eine gesteigerte Nachhaltigkeit, wenn sie beispielsweise Konsument:innen aktiv einbeziehen. Menschen müssen informiert, motiviert und erinnert werden, um eine Übereinstimmung zwischen ihrem tatsächlichen Handeln und ihren nachhaltigen Überzeugungen herzustellen. Nudges helfen, das individuelle menschliche Verhalten ohne Regeln und Verbote zu verändern und somit den Intention-Behaviour-Gap sukzessiv zu schließen.

Autor: Prof. Dr. Christoph Harff ist Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen und Verhaltensökonomie an der Hochschule Hamm-Lippstadt. Mit seinen Studierenden veranstaltet er regelmäßig eine NudgeNight, bei der die Studierenden eigene Nudges entwickeln, um jemanden dazu zu bewegen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

=> www.nudgenight.com

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* Der Intention-Behaviour-Gap ist dem Intention-Action-Gap gleichzusetzen.