Der Stoff, aus dem (Kampagnen-) Träume sind

Vamos-Projektleiter Tore Süßenguth

Der Stoff, aus dem (Kampagnen-) Träume sind

Wie schafft man es, mit kleinem Budget für große Aufmerksamkeit zu sorgen? Das ist die Kernfrage fast jeder Medienkampagne von Nichtregierungsorganisationen. Dem Verein Vamos aus Münster ist dieses kleine Kunststück gelungen. Die Aktiven entwickelten gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Mathilde-Anneke Gesamtschule Münster auf Basis von Mapstories die Kampagne „Der Stoff, aus dem die Träume sind“ und gewannen den mit 2.000 Euro dotierten dritten Platz beim NRW-Medienpreis für entwicklungspolitisches Engagement 2021. Im Interview verrät Vamos-Projektleiter Tore Süßenguth, die Zutaten für diesen Erfolg und wie andere Projekte von diesem Wissen und den Mapstories profitieren könnten.

Mal ehrlich, hatten Sie nicht ein bisschen mit dem Erfolg gerechnet?
Tore Süßenguth, Vamos: Nein, nicht wirklich. Wir waren zwar überzeugt, mit Mapstories eine innovative und inspirierende Plattform zu haben, aber der Start war nicht ganz einfach. Die Entwicklung der ersten Mapstories war von Schwierigkeiten geprägt. Aufgrund der Pandemie gab es nur Online-Veranstaltungen, wir kannten die Schüler:innen nicht persönlich und wir konnten faktisch nur drei Tage ko-kreativ zusammenarbeiten.

Was ist das besondere an Ihrem Projekt?
Die Laudatorin hob das große Potential der Plattform Mapstories für entwicklungspolitische Kampagnen- und Bildungsarbeit hervor. Das Besondere ist der crossmediale Ansatz, das heißt, es können unterschiedliche Medien wie Bilder, Videos, Podcasts, GIFs, Texte, etc. eingebaut werden. Auf diese Weise können beispielsweise Lieferketten interaktiv dargestellt werden.

Diese vielfältigen Möglichkeiten haben wir in der Story „Der Stoff, aus dem die Träume sind“ genutzt. Anhand der Geschichte einer jungen Frau, die in ihrer neuen Bluse ein Stück Stoff findet, auf der ein Hilferuf geschrieben steht, erhalten die Nutzer:innen einen Einblick in die globale Bekleidungsindustrie, ihre Auswirkungen auf Mensch und Umwelt und sie lernen die Alternativen kennen. Dabei haben wir besonders die Handlungsalternativen hervorgehoben.

Wie genau funktionieren Mapstories?
Die Plattform Mapstories ermöglicht es, Geschichten rund um die Welt zu erzählen. Im Sinne des Storytellings bietet dieses kostenlose Tool vielfältige Optionen, um globale Zusammenhänge mithilfe verschiedener Stationen auf einer Karte zu veranschaulichen. Am einfachsten ist es mit einer Powerpoint-Präsentation zu vergleichen, wobei immer eine Karte zu sehen ist und man pro Folie an einen anderen Ort reisen kann.

Wie kamen Sie auf die Idee, Mapstories zu nutzen?
Zu Projektbeginn haben wir breit recherchiert, welche IT-Agenturen bereits digitale Tools im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Globales Lernen entwickelt haben. Dabei sind wir unter anderem auf das Unternehmen re:edu reengineering education gestoßen, die als Ausgründung aus dem Geoinformatikinstitut der Universität Münster bereits Erfahrung mit digitalen Karten besaßen und die Idee mitbrachten. Diese haben wir weiterentwickelt.

Wer ist die Zielgruppe von Mapstories und wie kann man das Programm nutzen?
Die Zielgruppe ist sehr breit, jedermensch kann das Tool nutzen. Es ist technisch relativ einfach gehalten, damit die Plattform auch mit geringen digitalen Kenntnissen genutzt werden kann. Wir haben mit Schüler:innen ab 14 Jahren gute Erfahrung gemacht, es kann aber auch mit Jüngeren und Älteren funktionieren. Für die Entwicklung eigener Mapstories empfiehlt sich ein größerer Bildschirm, auf diese Weise behält man einen besseren Überblick. Das Erkunden von Storys kann mit allen Endgeräten geschehen – auch mit einem Smartphone. Und wenn einem eine Story gefällt, kann man sie auch bei Instagram und anderen Programmen mit einem Klick teilen. Eine Einbettung funktioniert auch.

Wie können andere Projekte Mapstories nutzen?
Auf www.mapstories.de gehen und sich anmelden. Die Nutzung ist browserbasiert und funktioniert daher so gut wie überall. Einer der Hauptgründe für die Entscheidung die Plattform Mapstories entwickeln zu lassen, war das innovative Potential und ein Ziel war die einfache Nutzungsmöglichkeit durch andere Vereine, Gruppen und Schulen. Wir hoffen, dass durch die Plattform entwicklungspolitischen Akteuren aus dem Bereich BNE und Globales Lernen damit langfristig digitale Lernräume zur freien Gestaltung zur Verfügung stehen. Viele BNE-Kompetenzen wie transformatives, kooperatives und exploratives Lernen können auf diese Weise abgedeckt werden. Außerdem planen wir Schulungen für Multiplikator:innen als Einstieg in die Plattform anzubieten – Termine stehen aber noch nicht fest.

Vamos-Plakat Mapstories
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Vamos hat das Projekt gemeinsam mit Schüler:innen entwickelt. Würden Sie so ein Vorgehen auch anderen Projekten empfehlen?
Ja, das können wir grundsätzlich empfehlen, vor allem wenn die Stories für Jugendliche gedacht sind. Wir haben zusammen in einem ko-kreativen Lab – einer Art Forschungslabor – gearbeitet, in dem wir gemeinsam neue Dinge ausprobiert und erforscht haben. Wir alle haben uns als Expert:innen unserer Lebenswelt und Lernende verstanden und jede:r konnte seine und ihre Kompetenzen einbringen. Unser Ziel war es ein niedrigschwelliges und lebensweltliches Einstiegsmodul zu entwickeln, dass die Medien und die Sprache der jungen Menschen beinhalten. Am Ende soll das Modul selbstgesteuertes Lernen ermöglichen. Der Aufwand für Einarbeitung, Betreuung und Endredaktion war natürlich etwas größer, als die Geschichten selbst zu entwickeln und zu schreiben. Aber wir denken, dass die Stories so vielfältiger, attraktiver und lebensweltnaher sind. Und Peer-to-Peer und Partizipation sind für uns zentrale Kriterien für gute Bildungsangebote.

Haben Sie im Rahmen des Projekts weitere Module entwickelt?
Mit Mapstories.de haben wir in anderen Kontexten Stories entwickelt. Wir haben beispielsweise eine Story zu unserer Filmreihe „Klappe auf für Menschenrechte“ erstellt und alle Trailer eingebaut. Auch für einzelne Filme gibt es Mapstories. Aktuell entwickeln wir den Webseitenaufbau, sodass ab Frühjahr 2022 die unterschiedlichen Stories zentral zur Verfügung stehen werden.

Wie sind die Reaktionen darauf?
Die bisherigen Stories sind als digitales Einstiegsmodul für unseren Bildungskoffer TrikotTausch #whomademyclothes gedacht und wurden von vielen Multiplikator:innen bereits genutzt. Aktuell erproben wir die Nutzung durch Lehrer:innen. Die bisherigen Reaktionen sind sehr positiv und wir denken, dass sobald wir die Webseite www.mapstories.de fertig haben und Schulungen anbieten, noch mehr Menschen die Plattform und die Einstiegsmodule nutzen können.

Und wie geht es mit dem Projekt weiter?
Bis Ende Januar entwickeln wir unser zweites Einstiegsmodul zu unserem Bildungsmaterial „Konsumwandel – Wir können auch anders“ mit Schüler:innen des Kant-Gymnasiums Münster. So viel kann ich von der Geschichte schon verraten. Wir gründen ein neues Superministerium für Schrumpfung, Glück und ein gutes Leben für Alle. Dessen Ziel und die gesamten Stories stellen wir im Februar der Öffentlichkeit vor.

Am 3. März findet dann in Münster die öffentliche Abschlussveranstaltung des gesamten Projekts „welt.weit.virtuell – Globales Lernen mit digitalen Medien“ statt. Dort tauschen wir uns mit Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen über die Ausgangsfrage des Projekts – den Anderswert des Globalen Lernens im digitalen Raum und die Kompetenzentwicklungen – aus und erproben in Workshops Mapstories und andere digitale Tools. Eine Anmeldung zu der Veranstaltung ist alsbald über unsere Webseite möglich.

Außerdem ist die Plattform Mapstories ein wichtiger Bestandteil unseres neuen Projekts „Glokale Orte im Münsterland – Glokale Lernstationen für eine gerechte und nachhaltige Welt“. Dabei bauen wir feste Lernstationen mit digitalen Bestandteilen auf. Zusammen mit Themenpaten aus dem Globalen Süden entwickeln wir dabei weltumspannende Geschichten. Man kann sagen “Mapstory goes abroad“.

Dann herzlichen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg
Eine Sache möchte ich noch gerne sagen. Wir bedanken uns ganz, ganz herzlich bei der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen sowie bei Engagement Global für die Anschubfinanzierung und wir hoffen, gemeinsam die Plattform www.mapstories.de weiter entwickeln zu können.

 

Weitere Informationen

=> Projekt welt.weit.virtuell – Globales Lernen mit digitalen Medien

=> Mapstories

=> NRW-Medienpreis für entwicklungspolitisches Engagement

=> Förderprojekt Z-5537 Welt.Weit.Virtuell – Globales Lernen mit digitalen Medien

 

 

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